Geschichte der Scharfrichter und Henker
Der Scharfrichter (der mit der Schärfe des Schwertes Richtende), ein besonderer Beruf,
vollstreckt seit dem Mittelalter die Todesstrafe; heute synonym dazu wird die Bezeichnung
Henker verwendet (ursprünglich der Vollstrecker einer Hinrichtung durch „Henken“).
Entstehung des Scharfrichteramtes
In den alten europäischen Volksrechten (sächsisches Recht Sachsenspiegel, Lex Salica u. a.) wurde
die Hinrichtung durch einen der Richter, oft den jüngsten, oder den Ankläger vollzogen. Auch ein Fronbote
oder Amtmann (auch Büttel) wird als Hinrichter genannt, dieser erhält allerdings für den Akt der Hinrichtung kein Geld.
Das Scharfrichteramt bildete sich im Zusammenhang mit der „Professionalisierung“ des gesamten Strafvollzugs im Verlauf des 13. Jahrhunderts aus. Man versuchte die Rechtsprechung in die Hand des Staates zu bringen (Gewaltmonopol aufseiten des Staates), um damit unter anderem Fehden und generell Gewalttaten zu unterbinden. Bis dahin wurde hauptsächlich der Akkusationsprozess angewandt, das heißt, vor Gericht standen sich Kläger und Angeklagte gleichberechtigt gegenüber. Ab 1250 sollte sich das jedoch mit dem Wunsch, die Gewaltverbrechen durch harte Strafen und Verfolgung zu verhindern, ändern. Der Inquisitionsprozess verdrängte aufgrund seiner Effizienz mehr und mehr den Akkusationsprozess. Es oblag nun dem juristisch geschulten und beamteten Richter und den Gerichtsdienern, den Tatbestand herauszufinden. Das Ziel war es normalerweise, das Geständnis des Angeklagten zu hören. Demzufolge fand auch die Folter vermehrt ihre Anwendung und parallel dazu bildete sich (ähnlich dem „professionellen“ Richter) das Amt der Scharfrichter als Folge der immer mehr aufkommenden Differenzierung im Strafprozess heraus. Aus dieser Zeit stammt auch das Synonym Nachrichter, welches den Aspekt der nachrichterlichen Urteilsvollstreckung in den Vordergrund stellt.
Der erste Scharfrichter wurde 1276 im Augsburger Stadtrecht erwähnt. Anfangs wurde im Scharfrichteramt personell häufig gewechselt. Außerdem erhielt selten eine Familie mehrere Male hintereinander eine Anstellung, was sich später drastisch änderte. Eine Tendenz zur Herkunft aus den unteren Schichten kann man bei den ersten Scharfrichtern nicht abstreiten. Man kann aber nicht behaupten, dass sie allesamt Verbrecher oder Kriminelle gewesen sind. Über die Gründe der zunächst recht häufigen Personalwechsel lässt sich spekulieren. Darin kann man sowohl eine Veranlagung der ersten Scharfrichter zu kriminellen Handlungen, als auch eine mögliche „soziale Mobilität“ sehen, wobei nicht geklärt werden kann, ob es sich dabei nur um Orts- oder auch Berufswechsel (und damit eventuell verbundenem sozialen Aufstieg) gehandelt hat.
Hochzeiten fanden vorrangig innerhalb der Scharfrichter- und auch Abdeckerfamilien statt. Das war mit vielen Vorteilen verbunden, wie zum Beispiel soziale und finanzielle Absicherung im Alter und der Nachkommen, und es bildeten sich regelrechte „Scharfrichterdynastien“ heraus, die durchaus auch finanziell mit rechtlich höher gestellten Menschen zu der damaligen Zeit konkurrieren konnten. Ihren Lohn erhielten die Scharfrichter nach getaner Arbeit immer von den Familien des Bestraften oder Hingerichteten; das war rechtlich festgelegt.
Doch Scharfrichter waren nicht immer männlichen Geschlechts. So gibt es etwa stichhaltige Anhaltspunkte dafür, dass auch Frauen vom späten Mittelalter an bis ins 19. Jahrhundert vereinzelt als Scharfrichterinnen oder Henkerinnen agierten. Während der Französischen Revolution und danach, etwa bei der öffentlichen Hinrichtung von Frauenmördern in Frankreich, durften sie mitunter mit der Guillotine exekutieren. In Deutschland soll Mitte des 17. Jahrhunderts gar die Frau eines Henkers ihren Mann kurzfristig vertreten und zwei Diebe am Galgen hingerichtet habe.
Unehrlichkeit
Die Tätigkeiten der Scharfrichter gehörten in das „unehrliche“ Berufsfeld. Diese „Unehrlichkeit“ bezeichnet vor allem eine gesonderte juristische Stellung in der damaligen Gesellschaft. Sie haftete einer Vielzahl von sehr unterschiedlichen Personengruppen an. Die Entstehung des Stigmas der Unehrlichkeit, speziell des Scharfrichters, kann aber bis heute nicht befriedigend erklärt werden.
Bedeutung hatte es für die Menschen der Frühen Neuzeit dennoch: So wurden Scharfrichter nicht in die Zünfte aufgenommen und auch sonst konnten sie auf vielfältige Weise von der Gesellschaft ausgeschlossen werden (z. B.: kein Zutritt zu Wirtshäusern, Verweigerung eines ehrlichen Begräbnisses, durften keine Priester werden usw.). Diese Einschränkungen wurden jedoch nicht überall erhoben und noch weniger in der Praxis wirklich durchgesetzt. Die Unehrlichkeit wurde vererbt und konnte selbst Generationen betreffen, die nichts mehr mit der unehrlichen Tätigkeit zu tun hatten.
Die Berührung von unehrlichen Leuten (auch Scharfrichtern) oder Gegenständen (z. B.: Henkerbeil, Galgen, Folterwerkzeuge usw.) konnte für Menschen ehrlichen Standes aber fatale Folgen haben. Dergestalt, dass ihnen von da an ebenfalls das Stigma der Unehrlichkeit anhaftete und sie sogar deshalb aus ihren Zünften geschmissen werden und Berufsverbot erhalten konnten. Diese „Übertragung der Unehrlichkeit“ ist aber differenziert zu betrachten. Bei der Behandlung durch die oft über weitreichende medizinische Kenntnisse verfügenden Scharfrichter kam es dagegen zu keiner Befleckung des Patienten.
Obwohl die Tätigkeiten von unehrlichen Personen in der Regel schlecht bezahlt waren, kann man aber nicht pauschal behaupten, dass alle unehrlichen Menschen arm waren. Sie verrichteten zum Teil absolut notwendige Arbeiten (u. a. Scharfrichter, Abdecker). Ein städtischer Scharfrichter konnte durchaus ganz gut von seinem Einkommen leben, wobei zu bedenken ist, dass auch das unehrliche Berufsfeld Konjunkturschwankungen unterlag. Die oft mit der Unehrlichkeit verbundene Armut leitet sich aus der Armut an Ehre ab, die allen Mitgliedern dieses Standes gemein war. Ehre war damals äußerst wichtig, nahezu ein „materielles Gut“, weshalb man sich heute nur schwer in den Sachverhalt der Unehrlichkeit hineindenken kann.
Die "Unehrlichkeit" der Scharfrichter u.a.ist daraus zu erklären, wie auch bei den Söldnern, das sie "Tötung für Geld" praktizierten, was sie in den Augen der Menschen ehrenlos machte im Gegensatz zum Soldaten!
Hinzu kamen noch die Aufsicht über die Gefängnisse, die Straßenreinigung, die Hurenhäuser, teilweise auch die Befugnis den 10. an Steuern für Kaufleute und Reisende erheben zu dürfen!
Die Ausübung der Hinrichtung musste IMMER mit den Worten "Hab ich recht gerichtet?" an den Magistrat oder den Stadtrat beendet werden Und erst, wenn Dieser dieses bejahte bekamen sie ihr Geld!
Auch wurde ab dem Spätmittelalter vor jeder Hinrichtung erst vom Rat der "Land-oder Stadtfrieden" ausgerufen und somit der Scharfrichter, Henker und seine Gesellen als "Unberührbare" gekennzeichnet, durften also auch nicht gelyncht werden!
Ausbildung
Die Ausbildung der Scharfrichter erfolgte in der Regel anfänglich durch den Vater oder Stiefvater und konnte bei einem anderen Meister fortgesetzt werden. Um die Scharfrichterausbildung anfangen zu können, mussten die zukünftigen Scharfrichter jedoch eine abgeschlossene militärische Grundausbildung vorweisen. Zu den Fähigkeiten, die ein Nachrichter besitzen musste, gehörten das erfolgreiche Entlocken eines Geständnisses des Angeklagten durch regelkonform angewandte Folter. Der Scharfrichter musste ebenso über medizinische Kenntnisse verfügen, um beurteilen können, welche Torturen der Delinquent aushält, ohne daran zu sterben. Ebenso mussten Hinrichtungen gemäß den Anweisungen des Gerichts und fehlerfrei vollstreckt werden. Eine misslungene Hinrichtung zog in einigen Fällen den „Volkszorn“ auf den Scharfrichter und es konnte sogar soweit kommen, dass sie von der aufgebrachten Zuschauermenge gelyncht wurden.
Die medizinischen Kenntnisse nutzten sie außerdem noch für andere Tätigkeiten. So praktizierten die Scharfrichter oft erfolgreich neben ihrem eigentlichen Beruf als Heiler und sicherten so ihre Existenz zusätzlich ab. Auch ist belegt, dass die Scharfrichter, ähnlich wie „normale“ Handwerker auch, während ihrer Ausbildungszeit auf Wanderschaft gingen. Als Abschluss der Ausbildung musste jeder Scharfrichter eine „Meisterprobe“ durchführen. Das geschah nicht ohne amtliche Genehmigung. Dabei musste einem Verurteilten unter der Aufsicht des ausbildenden Meisters der Kopf nach allen Regeln der Kunst abgeschlagen werden. War dies erfolgreich, so erhielt der auszubildende Scharfrichter einen Meisterbrief, mit dem er sich für freie Scharfrichterämter bewerben konnte. Ohne einen solchen Brief hatte er keine Chancen auf eine Anstellung.
Aufgaben
Zu den direkten Aufgaben des Scharfrichters gehörte die eigentliche Hinrichtung und die Folter zur Geständniserzwingung als Teil des Gerichtsverfahrens. Auch für die Durchführung von Körper- und Ehrenstrafen war er zuständig. Daneben musste er auch oft weitere unangenehme und geächtete Aufgaben übernehmen − z. B. die Kloakenreinigung, das Abschneiden und die Bestattung von Selbstmördern oder die Aufsicht über die Prostituierten. Oft wurde das Amt des Henkers aus praktischen Gründen mit dem des Abdeckers (andere Bezeichnungen sind Schinder, Racker oder Wasenmeister) zusammengelegt: Die Tierkörperverwertung sorgte für das finanzielle Auskommen des Scharfrichters, und die Abdecker-Gehilfen konnten bei einer Hinrichtung assistieren (Henkersknechte).
Scharfrichter überließen das Foltern, das Henken und (seit der Französischen Revolution) die Tötung durch die Guillotine oft auch ihren Gehilfen und übernahmen nur die Aufsicht. Die Enthauptung mit dem Schwert oder dem Henkersbeil (Handbeil) wurde jedoch vom Scharfrichter selbst durchgeführt, da hierfür Geschick notwendig war: Der Kopf sollte nach Möglichkeit mit nur einem Schlag vom Rumpf getrennt werden. Gelang das nicht, konnte der Scharfrichter selbst zum Opfer von Lynchjustiz werden.
Durch ihr Handwerk haben sich Scharfrichter solides Wissen auf dem Gebiet der Anatomie aneignen können. So mancher kannte sich mit dem menschlichen Knochenbau und der Anordnung der inneren Organe besser aus als der ortsansässige Bader. Es gibt Beispiele, wo sich Scharfrichter etwas als Rossärzte und Chirurgen hinzuverdienten. Da Scharfrichter die Produkte ihrer Abdeckereien selbst verwerten durften, verfügten sie unter anderem über Hundefett, welches zur Salbung entzündeter Gelenke bei Pferd und Mensch zum Einsatz kam. Die Herstellung und der Verkauf von heilmagischen Substanzen, die aus den Körpern von Hingerichteten gewonnen wurden, sicherte Scharfrichtern ein zusätzliches Einkommen. Dies waren beispielsweise die Herstellung von „Armsünderfett“ (Menschenfett) oder von Totenhänden.
Dies brachte ihnen jedoch häufig Ärger und Streit mit den studierten Ärzten ein, die das Monopol der Medizin für sich beanspruchten und oftmals versuchten, die Bürger von der Laienhaftigkeit des Scharfrichters zu überzeugen. Jedoch konnten sich die medizinischen Eliten nicht gegen jede Art der Heilpraxis von Scharfrichtern durchsetzen. So wurde ihnen offiziell die Heilung von "äußeren Wunden" gestattet. Jedoch erreichten die Ärzte in einigen Reichsstädten, dass den Scharfrichtern die Ausübung der inneren Medizin versagt blieb. Trotz dieses Verbotes und angesichts der Tatsache, dass die Bürger bezüglich der Heilung ihrer Beschwerden mit dem Scharfrichter bessere Erfahrung als mit den örtlichen Ärzten gemacht hatten, ließen sich Scharfrichter nicht davon abhalten, auch die innere Medizin zu praktizieren.
Henkerey im Altertum
Henkerey im Mittelalter
Henkerey in der Neuzeit